04.03.2024

Versicherungsschutz prüfen

Wie dringlich die im Roten Meer Lage ist, beschrieb Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing (FDP) im Nachgang zu einem außerordentlichen virtuellen G7-Verkehrsministertreffen. „Bei den Angriffen der Huthi-Milizen werden Leib und Leben der Seeleute gefährdet, Schiffe beschädigt oder entführt. Die Auswirkungen auf Lieferketten und Frachtkosten sind immens“, sagte Wissing.

Nach internationalen Medien ist das erste Frachtschiff, das durch die Huthi-Rebellen unter Beschuss geriet, die "Rubymar", ein unter belizischer Flagge fahrendes, in Großbritannien registriertes und in Libanon betriebenes Frachtschiff. Das Schiff ist inzwischen gesunken.

Bis zu 14 Tage länger unterwegs

Die meisten Reedereien weichen auf die 10 bis 14 Tagen längere Route rund um Afrika aus. 22 Prozent der weltweiten Seecontainertransporte, zwei Drittel des EU-Handels und auch rund neun Prozent des deutschen Außenhandels sind laut Wissing betroffen. Deutschland beteiligt sich daher an der militärischen EU-Marine-Operation EUNAVFOR Aspides zum Schutz der freien Handelswege im Roten Meer, im Arabischen Meer und im Persischen Golf. Das BMDV hat zudem eine Studie in Auftrag gegeben, wie die Resilienz maritimer Versorgungswege grundsätzlich gestärkt werden könne.

Der Konflikt eskaliert also weiter, und die Spediteure sind aufgerufen zu handeln – letztlich auch wegen eines potenziellen Güterschaden durch einen Beschuss des transportierenden Schiffes durch Huthi-Rebellen. „Das ist aktuell ein weites Feld hinsichtlich der Versicherbarkeit und der Haftung von Seefracht“, sagt Björn Karaus, Rechtsanwalt sowie Leiter Speditions- und Transportrecht und Versicherung beim Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV). Denn seit Dezember haben die meisten großen Reeder ihre Schiffe aus Asien um das Kap der Guten Hoffnung umgeroutet, ein kleiner Prozentsatz nimmt aber weiter die bewährte Route durch das Rote Meer – was natürlich für die Schiffe und die Sendungen ein größeres Risiko bedeutet.

„Es liegt daher im Interesse jedes Spediteurs, den Reeder zu kontaktieren und sicherzustellen, dass nicht die gefährliche Route genutzt wird“, sagt Karaus. Was allerdings in der Realität gar nicht so leicht sei: Wie Karaus von versierten Seehafenspediteuren erfahren hat, sei dieser Vorsatz mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, wenn es um die Buchungssysteme der Reeder gehe. „Es liegt also häufig auch im Ermessen der Reeder, wenn es darum geht, die Weisungen des Kunden umzusetzen“. Daher sollte die Wahl des Reeders bedacht werden – aktuell seien gerade Reeder mit sehr günstigen Angeboten, beispielweiseaus dem Iran, im Verdacht, weiter das Rote Meer zu befahren.

Wer haftet nach einem Beschuss?

Grundsätzlich stellt sich zudem die Frage, was bei einem Beschuss und einem nachfolgenden Güterschaden gilt. Im Rahmen der Spediteurshaftung haftet der Spediteur in der Regel, wenn Schäden, die während des Transports in seiner Obhut entstehen. Der Spediteur ist von der Haftung befreit, soweit die Beschädigung auf Umstände beruht, die er auch bei größter Sorgfalt nicht vermeiden kann – etwa als Folge einer kriegerischen Handlung im Transportgebiet.

„Beim Thema Haftung wird aber auch immer die Frage gestellt, ob der Unternehmer sich als ordentlicher Kaufmann verhalten hat. Und als solcher sollte er, wenn er die Güter seines Kunden durch das bekanntermaßen gefahrenvolle Roter Meer schickt, vorher zumindest eine Rücksprache mit dem Auftraggeber halten“, sagt Karaus. Macht er das nicht und es kommt zu einem Beschuss, müsse er sich den Schaden unter Umständen anrechnen lassen. „Dann kann er sich nicht auf einen Haftungsausschuss berufen, er muss also unter bestimmten Voraussetzungen doch für die Schäden haften.“ Weil kriegs- oder terrorbedingte Schäden außerdem von den Versicherern regelmäßig aus der Verkehrshaftungsversicherung ausgeschlossen werden, besteht in dieser Hinsicht zudem auch kein Versicherungsschutz für den Spediteur. Auch eine normale Allgefahrendeckung in der Warenversicherung schließt eine Kriegsklausel meist aus, aber durch eine Zusatzversicherung kann das abgedeckt werden, sagt Karaus.

Bei Kriegsklausel haftet Versicherer

Eine Kriegsklausel kann demnach aber Teil der Warenversicherung sein, die der Spediteur für den Kunden besorgt, zum Beispiel gemäß Ziffer 21 ADSp 2017. Wird hierbei eine Kriegsklausel vereinbart, haftet der Versicherer tatsächlich auch bei Schäden, die durch einen Beschuss entstehen.“

Allerdings reagieren auch die Versicherer auf das sich zuspitzende Risiko: Karaus weiß von Fällen, in denen die Kriegsklausel kurzfristig gekündigt wurde, beziehungsweise in denen der Versicherer Kartenausschnitte mit dem Hinweis verschickt hatte, in welchem Gebiet die Ware nicht mehr versichert ist. „Auch das müssen Spediteure im Rahmen ihrer Interessenwahrungspflicht auf dem Schirm haben“, sagt Karaus.

Wichtig ist dem Experten zufolge auch der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Gab es zu dem Zeitpunkt noch keine Kenntnisse von einem Angriff, dann wirke sich das günstiger für den Spediteur aus. Wer aktuell einen Vertrag abschließe, können sich im Hinblick auf das öffentliche Wissen um die Gefahr nicht mehr auf unvorhergesehene Ereignisse berufen.

„Wir raten unseren Mitgliedsunternehmen, ihre Verträge aktuell nochmals zu prüfen und zusammen mit den Kunden die Situation offen zu erörtern“, sagt Karaus. Im Rahmen dieses Gespräches könnten dann auch die längere Transportzeit und die höheren Kosten angesprochen werden. Denn laut Karaus kommt es mittlerweile auch zu Engpässen auf der Ausreichroute, was die Kapazitäten schmälert und die Frachtpreise nach oben treibe.

Daraus ergibt sich laut Karaus eine weitere Fragestellung: „Ist es höhere Gewalt, wenn theoretisch der Ausweichtransport notwendig ist, aber faktisch fast keine Kapazitäten zur Verfügung stehen – und wie haftet in dem Fall der Spediteur für eine Verspätung oder nicht-Erfüllung? Auch hier gilt. Wer seine Verträge frühzeitig abgeschlossen hat und mit dem Kunden redet, hat die bessere Chance, auch diese Krisensituation zu meistern“.

 


Quelle: eurotransport.de