Probleme beim Stoneridge SE5000 Smart 2 Vorsicht Fehlermeldung!
Ausgedruckt wäre die Mail zwei Seiten lang. Sehr detailliert schildert der Telematikexperte einer mittelständischen Spedition aus Süddeutschland mit 100 Fahrzeugen, was einem Fahrer am 12. März 2024 mit seinem erst im Dezember 2023 zugelassenen Scania auf einer Tour nach Italien passiert ist. Er selbst möchte lieber im Hintergrund blieben. Bei einer Kontrolle wurde dem Fahrer eine Manipulation des digitalen Kontrollgeräts, einem Stoneridge SE5000 Smart 2, unterstellt. Nun wird in der Tat die Manipulation auch der digitalen Kontrollgeräte über die Software immer ausgeklügelter, aber so plump hätten es selbst die schlechtesten Hacker aus einer süditalienischen Garagenwerkstatt nicht gemacht. Denn das Display zeigte in italienischer Sprache auch noch selbst an, dass der Tacho manipuliert ist.
Ein Kuhhandel
Für die Straßenkontrolleure des Stiefels ein gefundenes Fressen. Der Fahrer war Italiener und konnte sich immerhin mit der Polizei verständigen. Deren Forderung war zuerst eine Kaution von 9.000 Euro in bar, ein sofortiges Fahrverbot für zwei Monate für den Fahrer, dazu sechs Punkte Abzug im italienischen Führerscheinregister sowie eine Beschlagnahme von Lkw und Auflieger für zwei Monate. Ein italienischer Anwalt, ein Spezialist auf diesem Gebiet, konnte einen „Kuhhandel" erreichen: ein sofortiges Fahrverbot von zwei Wochen für den Fahrer und sechs Punkte Abzug im italienischen Führerscheinregister, dazu die sofortige Zahlung von 867 Euro Geldstrafe. Der Nachteil: Bei Zahlung einer Geldstrafe im herabgesetzten Maße sind in Italien im Anschluss keinerlei Rechtsmittel mehr möglich. Für den Verkehrsleiter der Spedition soll eine ähnliche Forderung noch kommen.
Alles nur eine Fehlermeldung
Das hätte so eigentlich nicht passieren dürfen. Bereits am 20. Februar hatte Stoneridge in mehreren Sprachen, unter diesem Beitrag zum Download in Deutsch, eine „Klarstellung zu den Ereignissen !1C und !0F beim Stoneridge Smart 2 Tachographen" herausgegeben. Darin heißt es unter anderem: Das Ereignis !1C wird vom Tachographen erfasst, wenn eine Inkonsistenz zwischen den Bewegungsdaten und den gespeicherten Daten bezüglich der Aktivität des Fahrers festgestellt wird. Es handelt sich dabei um ein Ereignis, für das jedoch fälschlicherweise eine Meldung auf dem Display des Tachographen angezeigt wird, die auf eine 'Hardware-Sabotage' hinweist, was jedoch nichts mit dem Ereignis !1C zu tun hat.
„Zunächst möchte ich anerkennen, dass die Situation in Italien für uns nicht zufriedenstellend verlaufen ist", so Timo Kube, Key Account Manager der deutschen Stoneridge GmbH in Esslingen, auf Nachfrage. „Wir haben umgehend das zuständige Ministerium informiert. Grundsätzlich sollten die lokalen Beamten keine weiteren Maßnahmen mehr ergreifen. Jedoch liegt eine vollständige Kontrolle dieser Abläufe außerhalb unserer Reichweite, unsere eigenen Möglichkeiten der Unterstützung sind somit begrenzt. Unser bisheriger Beitrag bestand hauptsächlich in Aufklärungsarbeit." Weiter heißt es in der Mail: „Was den genauen Ursprung des Problems betrifft, kann ich Ihnen leider keine präzisen Informationen liefern. Es ist jedoch keine Seltenheit, dass bei der Einführung einer neuen Softwareversion in der Praxis Fehler auftreten. Dies ist ein Umstand, von dem nahezu jeder Hersteller in gewissem Maße betroffen ist."
Bereits Probleme bei der verspäteten Einführung
In der Tat: Seit dem 21. August 2023 müssen alle neu zugelassenen Nutzfahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen Gesamtgewicht mit dem intelligenten Tachographen der zweiten Version ausgerüstet werden. Bereits zur Einführung hatte Stoneridge Probleme mit der späten Zulassung, worauf Marktführer VDO einspringen musste. Besonders Scania, die zu rund 80 Prozent Tachos von Stoneridge verbauen, kam in die Bredouille. In der Sendung „Tachostunde" vom 21. August konnten wir bereits klären, dass die Generation 1-Fahrerkarten, die bis zum Ende ihrer Gültigkeit weiter benutzt werden dürfen, viele Daten, die der DTCO 4.1 und mittlerweile auch der SE5000 Smart 2 erzeugen, nicht speichern. Stattdessen werden die Daten dann im Massenspeicher der Geräte hinterlegt und können etwa über einen Ausdruck sichtbar gemacht werden.
Nach Lust und Laune des Tachografen
Laut der VO (EU) 165/2014 müssen die digitalen Tachos spätestens nach 90 Tagen ausgelesen werden. Sonst sammeln sich dort, wie im Falle des Stoneridge SE5000 Smart2, potentielle Fehlermeldungen, die ebenfalls im Display angezeigt werden: Etwa Sensorstörung, Sensorauthentisierung, Daten-Integritätsfehler, Integritätsfehler, Hardwaremanipulation, Gerätestörung, Sicherheitsverletzung, Geberstörung. „Es passiert während der Fahrt oder auch im Stand", wie der besorgte Telematikexperte weiterhin schreibt. „Jedoch nicht immer oder regelmäßig, sondern eher nach Lust und Laune des Tachos." Werden diese vom Fahrer zudem bestätigt, könnte es bei einer Straßenkontrolle unangenehm werden. Im für ein Unternehmen ungünstigsten Fall bringen Straßenkontrolleure das Fahrzeug in die nächste Scania-Werkstatt. Wo dann in diesen beschriebenen Fällen beim Stoneridge in der Regel festgestellt wird, dass kein Fehler vorliegt. Das kostet dennoch Zeit und Geld.
Unzufrieden mit Scania
Die Spedition, spezialisiert auf Verkehre zwischen Deutschland, Österreich und Italien, übernimmt gerade 20 neue Sattelzugmaschinen von Scania. Für Stoneridge habe man sich vor allem auf Grund der Bedienfreundlichkeit entschieden. Dazu die Vielzahl an Informationen, die dem Fahrer über seine noch möglichen und bereits absolvierten Fahr- und Arbeitszeiten sowie Ruhezeiten bereitgestellt werden. „Mit den Geräten von Stoneridge konnten die Fahrer schon lange viel besser planen und Verstöße sowie Fehler deutlich reduzieren." Jetzt der Bumerang. „Die digitalen Kontrollgeräte von Stoneridge von allen aktiv in unseren Fuhrpark integrierten Tachos zeigen diverse Fehlermeldungen an und speichern diese entsprechend ab. Wir sind mit diesem Problem an Scania Deutschland herangetreten. Dort hieß es, wir sollten uns an den Gerätehersteller Stoneridge wenden. Die Geschäftsleitung von Scania Deutschland hat nicht mal auf Nachrichten reagiert und zeigte sich durch Schweigen völlig ignorant zu dem Thema."
Ein Softwareupdate ist für Mitte Mai in Aussicht
Erst auf Nachfrage heißt es aus der Presseabteilung von Scania: „Wir schließen uns der Aussage von Stoneridge an. Es gibt kein generelles Problem zwischen Stoneridge und Scania. Vielmehr handelt es sich um ein Softwareproblem des Tachografenherstellers. Auch wir von Scania hoffen, dass wir bald hier eine neue Software bekommen, damit unseren Kunden geholfen werden kann." Daher hier nun exklusiv die Erlösung direkt von Stoneridge-Mann Kube: „In der 21. Kalenderwoche bringen wir ein Software-Update heraus. Dieses Update wird für jede Flotte kostenlos in den zuständigen Werkstätten zur Verfügung gestellt. Die gute Nachricht ist, dass dieses Update problemlos auf bereits installierte Geräte aufgespielt werden kann, ohne dass eine Neukalibrierung erforderlich ist. In Abstimmung mit dem Importeur und den Werkstätten werden wir sicherstellen, dass für die Flotte keinerlei Kosten entstehen."
Keine Kosten – wirklich?
Das sieht der Telematikexperte etwas anders: „Generell ist es schon schwierig, in Werkstätten einen Termin zu bekommen und insbesondere für den Tacho dort besonders qualifiziertes Personal zu finden", schreibt er. „Und es sind bereits eine Vielzahl an Fahrzeugen mit diesem Tacho unterwegs." Die direkten Kosten für die Verbringung zur Werkstatt hat er bereits berechnet: 42,00 Euro Maut, sechs Stunden Arbeitszeit, Personalkosten rund 1,5 Stunden für den einfachen Weg, rund 30 bis 32 Euro Dieselkosten, weitere variable Fahrzeugkosten für die Hin- und Rückfahrt, ein Tag Fahrzeugfixkosten. Unabhängig vom kaum darstellbaren Verwaltungsaufwand werden Ersatz-Zugmaschinen für 250 bis 280 Euro Miete netto je Tag angeboten. Allgemein, und nicht speziell auf Scania bezogen. Der Vorwurf: „Scania hat uns wissentlich Neufahrzeuge mit einem eklatanten Mangel verkauft und ausgeliefert und möchte bislang keinerlei Entschädigung für einen Fahrzeugausfall sowie anfallende Kosten zur An- und Abfahrt zur Werkstätte zahlen."
Gestiegene Anfälligkeit
Grundsätzlich bemängelt der Telematikexperte zudem, dass die Zuverlässigkeit und Haltbarkeit der digitalen Kontrollgeräte seit der 1. Generation des Smart Tacho ein Desaster sind. „Es ist kaum möglich, die turnusgemäße Tachoprüfung nach 24 Monaten zu erreichen, da die Geräte meist nur zwischen wenigen Tagen und mehreren Monaten ohne eine Fehlfunktion oder einen kompletten Defekt halten", lautet seine Kritik. In der Tat scheint der hohe terminliche Druck, den die EU für die Einhaltung der relativ knappen Termine im Rahmen der Umsetzung des EU-Mobilitätspakets gesetzt hat, Auswirkungen zu haben. „Eigentlich ist den Fahrzeugherstellern, den Werkstätten, den Herstellern der digitalen Kontrollgeräte sowie den Tachodatenarchivierungs- und Telematikanbietern die Problematik bekannt. Nur die Fahrzeughersteller und Hersteller der Kontrollgeräte möchten dieses Thema lieber verschweigen. Ein Austausch oder eine Erneuerung des Kontrollgeräts bringt, wenn überhaupt, nur für kurze Zeit vielleicht eine Lösung. Wir haben es sogar erlebt, dass neue Kontrollgeräte ab der Stunde eins Fehlfunktionen aufgewiesen haben."
Signaturfehler bei VDO
So auch beim Marktführer. Beim erstmaligen Ausdruck der technischen Daten aus einem Tachographen DTCO 4.1 können tatsächlich Meldungen wie Event 15 oder Error 25 auftreten. Der sogenannte Signaturfehler. „Dies passiert", so heißt es dazu aus der Pressestelle von Continental/VDO, „wenn zuvor Fahrzeugkennzeichen und Zulassungsland mit einer Unternehmenskarte eingegeben wurden. Diese Warnmeldungen haben grundsätzlich keine konkreten Auswirkungen - weder auf Flotten noch auf die Funktion des Gerätes, da sämtliche Daten weiterhin korrekt im Massenspeicher vorliegen und auch grundsätzlich abrufbar sind."
Das bedeutet: Der Tachograph erfüllt weiterhin die gesetzlichen Anforderungen und muss nicht ausgetauscht werden. Alle Lenk- und Ruhezeiten werden ordnungsgemäß gespeichert. Die vorhandenen Daten sind auf dem Gerät gespeichert und können grundsätzlich archiviert werden. Bei Kontrollen müssen Fahrer keine Strafe für einen Verstoß befürchten. Auch die Kontrollbehörden wurden von Continental/VDO über dieses Problem und seine Entstehung umgehend informiert.
Ein Update bei VDO ab August
„Zur Vermeidung der Warnmeldung 25 sollte das Fahrzeug-Kennzeichen und das Zulassungsland bei der erstmaligen Inbetriebnahme mit einer Werkstattkarte eingegeben werden. Falls diese Daten mit einer Unternehmerkarte nachträglich eingegeben werden, sollte kein Ausdruck der technischen Daten durchgeführt werden, da dies die Warnmeldung auslösen kann. Ein Ausdruck der technischen Daten ist im täglichen Fuhrparkbetrieb nicht erforderlich und gesetzlich auch nicht vorgeschrieben. In Abstimmung mit den jeweiligen Zertifizierungsbehörden haben wir eine Lösung erarbeitet, die über ein entsprechendes Softwareupdate auf die im Feld befindlichen Tachographen aufgespielt werden kann." Diese wird im August zur Verfügung stehen. Grundsätzlich heißt es bei Continental/VDO: „Sobald wir Kenntnis über Störungen oder Fehlermeldungen erlangen, die eine Meldepflicht gegenüber den Kontrollbehörden nach sich ziehen, handeln wir umgehend und melden diese entsprechend. Dies wurde auch bereits bei der oben genannten Warnmeldung 25 umgesetzt."
Das BALM weiß Bescheid
In Deutschland jedenfalls sind die Straßenkontrolleure des BALM über diese Probleme des Stoneridge SE5000 Smart2 schon länger informiert. Bei der deutschen Autobahnpolizei, die ja den Innenministerien der 16 Bundesländer unterstellt ist, kann noch nicht flächendeckend davon ausgegangen werden. Wie das Thema für international tätige deutsche Frachtführer im Ausland behandelt wird, bleibt eventuell weiterhin ein Risiko.
„Das Thema ist interessant und brisant", sagt der Fachanwalt Philippe Rabenschlag von der Kanzlei Recht & Mobilität in Frechen. Es müsste über CORTE auch an die EU-Kommission weitergeleitet werden. „Es muss jedenfalls erörtert werden, und da bietet sich CORTE perfekt an. Das eigentliche Thema der G2V2-Tachos wurde aber auch bei der letzten Sitzung am 13. März in Brüssel nicht thematisiert." Die Fehleranfälligkeiten seien laut Rabenschlag aber noch nicht flächendeckend eingetreten. „Hiervon losgelöst sind Buß- bzw. Strafverfahren in anderen EU-Staaten zu unterscheiden. Die Verfahren sind, wenngleich auch Grundrechts- und EU rechtsstaatlichkeitskonform, keinesfalls mit unserer zugegeben milden Gerichts- und Verfahrenspraxis zu vergleichen. Auch bei Kabotageverstößen und Verstößen gegen die Entsendevorschriften greifen andere Staaten viel härter durch."
Weiterhin unzufrieden
Gerade für die „totale Kontrolle" auch der Entsenderichtlinie sind die smarten Tachos der zweiten Generation nach den Vorgaben der EU ja entwickelt worden. Der Telematikexperte der süddeutschen Spedition kann sich damit nicht anfreunden. „Diese absolut unzuverlässig arbeitenden und kaum haltbaren Geräte sollen die Fuhrparkbetreiber im internationalen Verkehr jetzt zum Jahreswechsel 2024 auf 2025 in Bestandsfahrzeugen mit den „alten" Kontrollgeräten austauschen", schreibt er abschließend. „Unabhängig des finanziellen Aufwands weiß man schon jetzt, dass man sich von Anfang ein Desaster in Sachen Funktion und Haltbarkeit in den Lkw einbauen lässt. Man ersetzt Kontrollgeräte, die derzeit absolut zuverlässig funktionieren und eine jahrelange zuverlässige Haltbarkeit aufweisen."
Quelle: eurotransport.de